Diskussion: Das Dach ist tot, es lebe das Dach

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© aus: Daidalos 68/1998
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Wenn die Römer das Wort tectum (Dach) benutzten, meinten sie damit häufig nicht allein das Dach, sondern das gesamte Haus (lat. domus oder aedes). Dieses Stilmittel des pars pro toto (die Verwendung eines Wortes, das einen Teil bezeichnet anstelle des Wortes, welches das Ganze meint) spiegelt die immense Bedeutung des Dachs für ein Gebäude wider. Das Vorhandensein eines Dachs ist die conditio sine qua non für die Existenz eines Hauses. Fenster, ja selbst Wände können fehlen wie in Shigeru Bans Wall-less House (Karuizawa, Kutasuku-Gan, Japan, 1997), doch ohne Dach ist ein Haus kein Haus. Tectum leitet sich ab von tegere (decken, bedecken) – das Dach ist also die Decke, die den Bewohner schützt. Diese Schutzfunktion beschränkte sich nicht allein auf Sonne und Regen. Das Abdecken des Daches war im Mittelalter eine Maßnahme gegen so genannte »Friedlose« oder »Vogelfreie«. Einen solchen durfte kein Dach mehr schützen, bis er sich gestellt hatte. Man gab Leuten, die einen Verbrecher beherbergten, eine gewisse Frist, dann stiegen ihm die Gerichtsdiener aufs Dach, deckten es ab und ließen somit »den Himmel ins Haus«. Da den Verbrecher nun kein Dach mehr schützte, konnte er im Haus verhaftet werden, was normalerweise verboten war. Aus dieser Zeit rührt die Redewendung »jemandem aufs Dach steigen«.