Technik: Bauen mit Bestand – Identitätsspaltung als Planungskonzept

© Gerald Zugmann
© Andrea Kroth
»Bauen im Bestand« unterscheidet sich von »Bauen mit Bestand« deutlicher als es der Austausch einer Präposition vermuten lässt. Bauen im Bestand beschreibt eine Haltung des Nebeneinanders: hier der Bestand, dort der Neubau. Beide Teile stehen selbstreferenziell nebeneinander und kommunizieren nicht. Sie stehen jeder für sich in einer eigenen Welt, einer eigenen Epoche: dort die Gründerzeit, hier das 21. Jahrhundert. Die gründerzeitliche Entwurfsidee bleibt gründerzeitlich und erhält einen heutigen Nachbarn. Der in diesem Entwurfskonzept enthaltene vermeintliche Respekt vor dem Schaffenden des Vorhandenen könnte aber auch ein Desinteresse sein. Das Vorhandene auf den Sockel des Unantastbaren, des Musealen zu heben ist gar das Ergebnis von Kritiklosigkeit. »Bauen gegen Bestand« wäre die konkurrierende Haltung, welche den Bestand als grundlegend überholt, als Zeugnis einer zu überwindenden architektonischen Verirrung, ansieht. Die Moderne macht sich diese Haltung zueigen. Doch es entstehen auch in ihrer »Wut« verständliche Entwürfe wie von Günter Domenig, der seine Architektur zielgerichtet gegen die Speersche Dumpfheit einsetzt.