Bauen in Zeiten der Energiewende ist einem tiefen Wandel unterworfen – ebenso unsere Idee davon. Ein Glashaus, bislang energetisch eine Katastrophe, feiert als Passivhaus Auferstehung. Dabei weiß jeder: Das beste Glas dämmt schlechter als eine geschlossene Wand nach heutigem Standard. Doch was fehlt, lässt sich ja durch anderes gutrechnen. Und so packt man Gerät und Apparat ins und ans Haus, bis die Rechnung stimmt. Fragwürdig ist dieses Verfahren, das ein Ganzes – den Bau – fragmentiert und die Optimierung von Aspekten für das Ganze nimmt. Besonders sichtbar wird das im modernen Holzbau: Stetig steigende Anforderungen bringen für jeden Aspekt – Temperatur, Feuchtigkeit, Dichtigkeit, Konstruktion – spezialisierte technische Lösungen, eine zur anderen addiert. Ergebnis: eine Wand mit gut einem Dutzend Schichten und Schnittstellenproblemen. Und doch bleibt in vielen Fällen Schimmel. Also wird das Auftürmen von Technik im Haus fortgesetzt mit zusätzlichen Apparaten wie Komfortlüftung. Es folgen ­zusätzliches Wartungspersonal und Reinigungsspezialisten. Die Bautechnik hat sich vom Baualltag ­gelöst, Versprechen überbieten sich, die Mittel sind Selbstzweck geworden. »Es gibt Untersuchungen, die zeigen, dass einzelne LEED-zertifizierte Bauten mehr Energie verbrauchen als »normale« Gebäude. Die Energieersparnis wird durch Unterhalt und Wartung aufgefressen, die Unzufriedenheit der Nutzer steigt«, bemerkt Dietmar Eberle, selbst Pionier energieeffizienten Bauens. Der Auffassung vom Bauen als Addition hochspezialisierter Komponenten steht jene von einem Ganzen gegenüber, das mehr als seine Teile kann, deren Teile mehr sind als Speziallösungen und sich in Beziehung zueinander entfalten. (Florian Aicher)